Homers Dichtung

WAZ v. 03/2007

Eine schrecklich gelbe Familie in der 350. Jubiläumsfolge: Die Simpsons überholten schon 1997 die Feuersteins. Die Muppets brachten es nur auf 120 Episoden.

Sie sind beständiger als die Cosbys, schrecklicher als die Bundys, ehrlicher als die Waltons.

Zum 350. Mal schaltet das deutsche Fernsehen nach Springfield zu den Simpsons

Springfield. Ich kenne einen Hund, der schnarcht. Er ist gelblich-braun, unglaublich faul und sabbert. Wenn man einen Eimer neben ihm umstößt, zuckt er nicht mal mit dem Schwanz. Als ich ihn fotografieren wollte, ließ er einen fahren. Sein Frauchen hat ihn Homer genannt. Es ist unwahrscheinlich, dass sie dabei an griechische Epen dachte.

Die Simpsons haben ihre Spuren hinterlassen, überall in der Welt. Sogar in der arabischen Welt, wo Homer Simpson Omar Shamsun heißt und Bierverbot hat. Moe´s Bar wurde gleich ganz abgeschafft, aber dennoch: Die Simpsons sind eine unterschätzte Gegengewalt, die Vorboten einer ganz und gar unpolitischen Demokratie. Sie werden nie ein Regime stürzen, aber mit ihrem kritischen Humor schaffen sie Meinungsfreiheit. Sogar bei ihrem US-Heimatsender Fox (der oft des Hurra-Patriotismus geziehen wird).

Besonders Fox-Besitzer Rupert Murdoch muss sich was gefallen lassen. Etwa wenn eine Comicfigur dem Publikum von bis zu 12 Millionen Amerikanern (oder eineinhalb Millionen Deutschen) erklärt: "Ich habe schon viele Berufe gehabt: Walfänger, Robbenklopper, Präsident des Senders Fox und ich habe wie viele auch mit Elfenbein gehandelt."

In Deutschland läuft am heutigen Samstag (17.30 Uhr, Pro7) die 350. Folge der Simpsons: "Der eingebildete Dachdecker". Die gelben Mustermanns sind damit schon lange die am längsten eingesessene Sitcom der Welt, beständiger als die Cosbys, schrecklicher als die Bundys, ehrlicher als die Waltons. Der Geniestreich von Erfinder Matt Groening ist in über 120 Ländern zu sehen, und es soll sogar Leute geben, die Bart Simpsons Grimasse auf ihrer Unterwäsche dulden.

Bekanntschaft machten wir allerdings über den Rundfunk. Im Jahr 1991 war es unter uns Pubertierenden noch üblich, sich die Charts per Radiorecorder zusammenzuschneiden. Und irgendwie quakte immer dieses gelbe Monster dazwischen: "Do the Bartman" kletterte damals bis auf Platz fünf der Hitparade. Ziemlich kindisch dachten wir.

Heute gibt es keinen in meinem Bekanntenkreis, der nicht gelegentlich über die Simpsons gelacht hätte. Unvergessen die Folge, als Bart die Frösche nach Australien einführt und dafür "gestiefelt" wird. Oder als Homer beim Chili-Fest in Springfield die guatemaltekische Pfefferschote verschlingt, um nach einem psychedelischen Trip durch verdrehten Raum und weiche Zeit seinen Seelenpartner zu finden: Marge.

Mir ist ehrlich gesagt nie aufgefallen, dass alle Figuren Linkshänder sind (wie Matt Groening) und nur vier Finger besitzen. Bis neulich auf einer Küchenparty darüber diskutiert wurde, dass nur Gott fünf Finger gegeben sind.

Die Simpsons sind mit uns gewachsen. In dem Maße wie ihre Köpfe an Ecken verloren - weil ab Staffel vier das Animationsstudio wechselte - ist auch ihr Humor erwachsener geworden. Bart trat zurück und Homer wuchs zum Übervater.

Als Ignorant unterwandert er die Gleichgültigkeit: Nachdem Homer schwule Paare in seiner Garage traute, kam es in den USA zu Protestaktionen. Das Banale wird wertvoll in seiner Ver-Dichtung: "Und wie viel kostet das Gratiswochenende?", hinterfragt Homer. Und man möchte antworten: Gelb ist geil.

13.01.2006 Von Thomas Mader

Originalartikel