Debatte zur Green Card (Auszug)

TAZ v. 03/2000

Apu war als hoffungsvoller Informatiker ins Land geholt worden und führt heute eine Kwik-E-Mart-Filiale

Was ein Computer-Inder ist und wie er in der Fremde leben muss, lässt sich fast jeden Nachmittag um 17.30 Uhr auf Pro 7 studieren. Der sympathische, aber resolute Apu Nahasapeemapetilon führt in Springfield eine Filiale der Kwik-E-Mart-Supermarkt-Kette mit flexibilisierten Öffnungszeiten. Er steht praktisch immer hinter seiner Theke, jedenfalls bis zu 96 Stunden ohne Unterbrechung. Einst war er als hoffnungsvoller Informatiker ins Land geholt worden und hatte mit US-Stipendium promoviert.

Doch die Unwägbarkeiten der Marktwirtschaft hatten den vollständig integrierten Bürger und persönlichen Freund Paul McCartneys, den Elton-John-Fan und ehemaligen Sänger des Grammy-geehrten "A-cappella-Barbershop-Quartetts The Be-Sharps" und stolzen Besitzer des Live-Mitschnitts vom "Concert Against Bangladesh" in die Provinzstadt Springfield gespült, wo auch Familie Simpson wohnt. Deren Mitglieder zerstörten zwar irrtümlich sein Dissertationsprojekt. Und Homer bewies seinen ethnifizierenden, wenn nicht rassifizierenden Blick, als er bei einem verstohlenen Blick ins Kamasutra zu seiner Frau raunte: "Guck mal, die sehen ja alle aus wie Apu." Aber die Simpsons halfen ihm auch, als das passierte, was Migranten so passiert, wenn irgendwo ein Rechtspopulist wie Bürgermeister Quimby ein paar Stimmen braucht.

Die Bevölkerung von Springfield lässt sich - natürlich mit Ausnahme von Lisa Simpson - für ein dem kalifornischen Vorbild nachempfundenes Volksbegehren ("Proposition 24") gegen "Illegale" aufwiegeln ("The only good foreigner is Rod Stewart", "Hey German boy, go back to Germania!"). Nur mit knapper Not, einer Gesetzeslücke und dank hoch detaillierter Kenntnisse haarspalterischer Petitessen der amerikanischen Geschichte wird Apu eingebürgert - unter Umgehung von Green Card und Doppelpass. Die anderen Ausländer werden abgeschoben, allen voran der schottische Pedell der Grundschule mit der bekannten Neigung zum Exhibitionismus.

Lernen wir etwas daraus? Ja, na klar. Etwas anderes. Computer-Inder werden zwar einerseits doppelt Unterlegenheits- und Neidprojektionen auf sich ziehen: Der Deutsche hat nämlich erstens Angst vor Menschen, die scheinbar von Natur aus etwas von Computern verstehen, und hegt zweitens seit der Frühromantik eine ambivalente, projektionssatte Ehrfurcht vor allem Indischen als nämlich buddhabreites Behältnis alles Schopenhaurisch-Spirituellen und überlegen Vedisch-Vergeistigten.

Doch die ehrfürchtige Faszination der traditionell Denker und Heilige verehrenden wie auch vertreibenden Deutschen hilft Apu, seinen Landsleuten und Kollegen nicht nur deswegen nicht, weil bei der kulturellen Faszination in unsicheren Zeiten Verehrung immer schneller in Vertreibung kippt. Letztlich können die kulturellen Stereotype noch so neu, alt oder beides sein, solange sie ihren ideologischen Job tun, nämlich zufällige Unterscheidungen zu naturalisieren und als regelhaft zu setzen - unabhängig von deren Bewertung.